Die Gebärmutter – mehr als nur ein Reproduktionsorgan

Dass sich die Bedeutung der Gebärmutter nicht nur auf die Funktionen reiner Reproduktion reduzieren lässt, hat sich in den letzten Jahren auch als Einsicht in den medizinischen Fachkreisen etabliert. Kaum ein Gynäkologe oder eine Gynäkologin, die noch laut und offiziell das Gegenteil äußern würden. Um so mehr verwundert es, dass im Qualitätssicherungs-Verfahren die Betrachtung von Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien) ab dem Erfassungsjahr 2013 ausgesetzt wurde.

Aufgrund der Bedeutung der Hysterektomie in der gynäkologischen Behandlung beauftragte der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in 2022 das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), eine Befragung von Patientinnen zum Thema Gebärmutterentfernung bei gutartigen (benignen) Erkrankungen zu entwickeln. Im Bundesqualitätsbericht 2024 sind dazu allerdings noch keine Erhebungen verzeichnet. Für die Myombehandlung sind 38.834 operative Eingriffe am Corpus uteri, dem oberen Teil der Gebärmutter, genannt. Die letzten verfügbaren statistischen Erhebungen der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) zur Hysterektomie stammen aus 2008. Demnach wurden 77.549 Patientinnen die Gebärmutter entfernt, die weder an einer Endometriose noch einem Karzinom erkrankt waren. Neue S3-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von benignen Erkrankungen der Gebärmutter, wie z.B. Uterus myomatosus, Endometriose und Descensus uteri, die zum Zeitpunkt der Buchferstigstellung noch nicht abgeschlossen waren, sollten aber demnächst über den Link https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-093
eingesehen werden können.

Zwar ist die Zahl von Hysterektomien rückläufig, aber im Hinblick auf die inzwischen vorhandenen organerhaltenden Behandlungsalternativen ist nicht nur bei Myomen jede Gebärmutterentfernung kritisch zu hinterfragen. Begünstigt wird die häufig vorschnelle und unnötige Gebärmutterentfernung durch den Umstand, dass Frauen auch heute noch vielfach mit ihrem Genital möglichst wenig zu tun haben wollen.

 

Die ehemalige Chefärztin der Bad Salzufler Schmerzklinik, Barbara Ehret-Wagener, bemerkte bereits 1994 dazu "... dass Frauen wohl ein tiefes Wissen um den Wert ihrer Gebärmutter haben, das scheinbar verloren ging in einer Kultur, in der die Gebärmutter im Wesentlichen als manipulierbares Reproduktionsorgan in Ansehen steht, und erst nach der Hysterektomie viele Frauen merken, dass sie etwas Wesentliches verloren haben." Das scheint auch heute noch nicht ganz aus der Welt zu sein.

Neben der Harninkontinenz als möglicher Folge einer Hysterektomie weisen einige Studien auch auf eine erhöhte Rate an Herz- und Kreislauferkrankungen hin. Vermutet wird, dass die von der Gebärmutter produzierten Gewebshormone Prostaglandine eine positive Wirkung auf Herz und Gefäße haben. Diese hormonähnlichen Stoffe, die die Kontraktionsfähigkeit der Gebärmutter beeinflussen, nehmen auch Einfluss auf das seelische Befinden. Weitere organische Funktionen, die die Gebärmutter außerhalb der Reproduktion übernimmt, sind bislang noch nur unvollständig erforscht.

Betroffene Frauen erleben die Entfernung ihrer Gebärmutter sehr unterschiedlich. Während manche Frauen den – vorausgesetzt medizinisch notwendigen – Eingriff als für sie richtig empfinden und sehr gut damit leben, nehmen andere Frauen die Entfernung als Verlust des Zentrums ihrer Weiblichkeit, des Heil- und Ganzseins wahr. Von diesen Verlustgefühlen berichten Frauen insbesondere dann, wenn sie sich von dem operativen Eingriff "überrumpelt" fühlen. Oft stellen sich diese Gefühle auch erst im Nachhinein ein. Grundsätzlich bedeutet jede Operation, auch eine organerhaltende, einen Eingriff in den Körper und damit eine »Körper-Verletzung«. Dennoch stellt die operative Therapie eine sehr effektive Behandlungsmethode dar.

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein operativer Eingriff für die individuelle Erkrankungssituation die richtige Behandlung ist, hilft eine Risiko-Nutzen-Abwägung. Denn jede Behandlungsmethode, ob medikamentös, operativ oder naturheilkundlich, hat ihre Vor- und Nachteile. Alle diese Überlegungen finden Sie in dieser Entscheidungshilfe:

• Was soll (kann) mit der Behandlung erreicht werden?
• Welche anderen Therapien stehen gleichwertig zu Verfügung?
• Kann ich auch mit einer Besserung der Beschwerden gut leben (lernen), ohne dass die Erkrankung selbst beseitigt wird?
• Wie weit bin ich bereit, mich mit meiner Erkrankung auseinanderzusetzen?
• Brauche ich eine schnelle Problemlösung oder will ich mir lieber Zeit nehmen und behutsam vorgehen?

In der Praxis zeigt sich, dass die Zufriedenheit der Patientin mit der Behandlungssituation zunimmt, je umfassender sie über die individuellen Faktoren informiert ist und sich gut beraten in die Entscheidung miteingebunden fühlt. Die getroffene Entscheidung wird dann ohne falsche Erwartungen als selbstbestimmt empfunden.

 

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